Kanzleiverkauf: Bewertung des Mandantenstamms
11.05.2016 12:09 AllgemeinEs spielt keine Rolle, ob ein Rechtsanwalt und Kanzleiinhaber in den Ruhestand wechseln, noch einmal etwas ganz anderes anfangen oder schlicht auswandern möchte… Wenn der Verkauf der Kanzlei ansteht, sollte die Übergabe mit unbedingt von langer Hand angegangen werden. Nur mit einem strukturierten Prozess und ohne Hast lässt sich der bestmögliche Preis erzielen. Der Mandantenstamm ist hierbei eine oft unterschätzte Stellschraube, die sich mit nur wenig Aufwand in die richtige Richtung drehen lässt. Gleichzeitig hilft unser Beitrag auch potenziellen Käufern, den Wert richtig einzuschätzen.
Mandantenstamm: weiche Faktoren bei der Preisbildung
Ob ein Verkaufsprozess in Eigenregie erfolgt oder für diese (meist einmalige) Aufgabe ein externer Dienstleister herangezogen wird, bleibt dem eigenen Geschmack des Anwalts überlassen. Auch die Vielzahl von preisbildenden Faktoren – darunter beispielsweise Umsatz, Rendite und das Klumpenrisiko durch Großmandante – brauchen wir hier nicht zu vertiefen, dafür gibt es bereits ausreichend Ratgeber und Checklisten. Viel spannender (und von uns auch fundiert zu beantworten) ist die Frage, welche Faktoren speziell bei den Mandanten auf den Verkaufspreis einwirken und wie sich diese Faktoren positiv im Sinne des Verkäufers beeinflussen lasse.
Die Größe des Mandantenstamms und dessen soziokulturelle Zusammensetzung bieten auf kurze bis mittlere Sicht meist wenig Ansätze für Optimierung: Das Wachstum bei den Mandanten ist im Regelfall ein organischer Prozess, die Dicke der Geldbeutel hängt oft mit der Region, der Lage und den Fachgebieten zusammen. Dagegen wird oft übersehen, dass es bei den Mandanten „weiche Faktoren“ gibt: die Bereitschaft, gestellte Rechnungen zeitnah zu bezahlen.
Grundannahmen für den Mandantenstamm
Aus diesen weichen Faktoren lassen sich Schlussfolgerungen ableiten, die je nach Ausprägung zu Auf- oder Abschlägen führen können. Gehen wir erst einmal von positiven Annahmen aus, d.h. die Rechnungen werden üblicherweise zügig und ohne Abzüge beglichen. Dies werten wir als Zeichen für…
- zufriedene Mandanten mit einer belastbaren Mandatsbeziehung,
- gute bis hohe Bonität in der Mandantschaft,
- einen geringeren Liquiditätsbedarf bei der Praxisübernahme und
- ein funktionierendes Honorarmanagement mit mutmaßlich nur geringem Bedarf für externe Ressourcen.
Drehen wir diese positiven Annahmen nun um und gehen vielmehr von schleppenden Zahlungseingängen sowie häufigen Rechnungskürzungen aus. Dies werten wir als…
- latente Unzufriedenheit bei den Mandanten,
- eine schwache Stellung des Rechtsanwalts,
- erhöhte Ausfallrisiken bei den gestellten Rechnungen,
- Organisationsschwächen im Honorarmanagement, die Arbeitszeit binden, und
- einen hohen Liquiditätsbedarf bei Kanzleiübernahme.
Kriterien zur Bewertung – mit Benchmarks
Zur Beurteilung der Frage, wie ein Mandantenstamm zu bewerten ist, kann ein Benchmarking Hinweise liefern. Es handelt sich hierbei um Erfahrungswerte.
Notwendige Schritte zur Verbesserung
Schwankungen bzw. einzelne Spitzen sind kein Grund zur Beunruhigung. Liegt die Kanzlei jedoch bei einem Kriterium oder gleich bei mehreren dauerhaft im kritischen Bereich, ist dringend eine Optimierung angeraten. Andernfalls können Schwächen im Honorarmanagement den avisierten Verkaufspreis deutlich nach unten ziehen.
Es gibt nun zwei Lösungsansätze, die sich hinsichtlich des wahrscheinlichen Erfolgs und insbesondere hinsichtlich der Dauer unterscheiden.
Der gewohnte Weg wäre es, die eigene Kanzleiorganisation zu straffen und mehr Nachdruck auf das Honorarmanagement zu legen. Bleibt der Eifer der Anfangszeit bestehen, zeigen sich nachhaltige Verbesserungen nach rund 12-18 Monaten. Als Hürde kann sich hier aber beispielsweise zeigen, dass nachgelagerte Bürotätigkeiten wie das Schreiben von Rechnungen und die Überwachung und Zuordnung des Zahlungseingangs lediglich als lästige Pflicht wahrgenommen und immer nachlässiger behandelt werden. Oder die Mandanten schaffen es, durch persönliche Ansprache Fristen immer wieder zu verlängern – und vielleicht sogar ganz um Mahnungen herumzukommen.
Der zweite Ansatz ist es, eine Verrechnungsstelle wie die AnwVS einzuschalten. Dies kann für Teilbereiche im Wege des stillen Factorings geschehen – also nicht erkennbar für die Mandanten. Alternativ findet das offene Verfahren Anwendung. Wir haben in der Vergangenheit bereits Kanzleien mit kritischen Werten unterstützt und schätzen den Zeitraum bis zur nachhaltigen Verbesserung auf 6–9 Monate. Wir brauchen deshalb weniger Zeit, weil für uns als professioneller Dienstleister die vorgenannten Hürden entfallen: das Honorarmanagement mit allen dazugehörigen Aufgaben ist unser tägliches Geschäft und die Mandanten begegnen uns anders als ihren Anwälten. Unser Service ist oft schon von Ärzten bekannt und zu uns besteht keine persönliche Bindung, so dass Rechnungen schneller ausgeglichen werden.
Fazit:
Beim Verkauf einer Kanzlei wird der Preis durch viele Faktoren errechnet. Soll die Übergabe aus Altersgründen zu einem bestimmten Stichtag erfolgen, beispielsweise dem 65. Geburtstag, bestehen beste Chancen für einen optimierten Preis. Denn mit ausreichend Weitsicht lassen sich die Aspekte noch beeinflussen, für die ein vergleichsweise kurzes Zeitfenster von unter einem Jahr ausreicht.
Speziell aus dem Outsourcing des Honorarmanagements entsteht darüber hinaus noch ein weiterer Vorteil: Der Anwalt (und seine wichtigsten Mitarbeiter) haben mehr Zeit für andere Aufgaben, weil sie im Backoffice entlastet werden. Ob die freie Zeit in die Mandatsbearbeitung fließt, das Golf-Handicap oder die Enkel ist individuell verschieden.