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Streitfall Krawatte – 5 Sichtweisen auf ein Kleidungsstück

09:35

Bei uns finden sich so viele überzeugte Träger von Langbindern, dass wir das Thema aus einer anderen Perspektive noch einmal betrachten. Vor gut zwei Monaten hatten wir uns mit der Krawatte aus anwaltlicher Sicht beschäftigt (Krawattenzwang für Anwälte?). Heute geht es jedenfalls um (Gerichts-)Urteile. Da für Anwälte die Kombination aus Robe + Krawatte zwar als das Maß aller Dinge gilt, sich aus § 20 der BORA aber keine zwingende Notwendigkeit extrahieren lässt, schauen wir lieber auf fünf andere Fälle.

Fall 1: Steuerlich ist die Krawatte „bürgerliche Kleidung“

Bei vielen Berufsagruppen, Krankenpflegern oder Polizisten beispielsweise, ist die Sache: Die Berufskleidung ist eine Uniform und wird wahlweise gestellt oder bei eigener Anschaffung steuerlich berücksichtigt. Interessant wird es aber bei Bankern, Anwälten oder Vertrieblern. Deren Dresscode – in Form eines (edlen) Zwirns in Kombination mit Hemd und Krawatte – kann durchaus einer Uniform gleichgesetzt werden. Da liegt es nahe, diese Kosten in der Steuererklärung geltend zu machen.

Der Bundesfinanzhof hat dem im November 2013 (Aktenzeichen VI B 40/13) aber einen Riegel vorgeschoben: „Aufwendungen für bürgerliche Kleidung sind auch nicht anteilig Werbungskosten“. Steuerlich abzugsfähig sind nur Kosten für Kleidung, die für Freizeitzwecke ungeeignet ist. Vom Wortlaut her wäre das quasi ein Freibrief für „bürgerlich aussehende“ Kleidungsstücke wie (Polo-)Hemden mit dem gestickten Logo des Arbeitgebers. Aber die werden im Regelfall auch nicht privat angeschafft.

Fall 2: Keine Krawatte für Schriftführer

Direkt zu Beginn der jüngsten Legislaturperiode wurde im Bundestag die Kleiderordnung gelockert und der Krawattenzwang für Schriftführer abgeschafft; vorausgegangen war ein Antrag der Präsidiumsmitglieder Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen) und Petra Pau (Die Linke). Dahinter steckten durchaus praktische Überlegungen, denn vor allem die Fraktionen von Roth und Pau hatten zunehmend Schwierigkeiten, Abgeordnete als Schriftführer für das Präsidium zu stellen. Der Grund: Viele weigerten sich, einen Langbinder anzulegen. So waren beispielsweise die Abgeordneten Andrej Hunko (Die Linke) und Sven-Christian Kindler (Bündnis 90/Die Grünen) im Januar 2011 waren von der Liste der Bundestagsschriftführer gestrichen worden.

Fall 3: Postbank-Mitarbeiter und hohe Temperaturen

Im Großraum Stuttgart dürfen Mitarbeiter der Postbank der bei hohen Temperaturen von über 30 Grad Celsius auf die Krawatte verzichten. Möglich macht dies eine Betriebsvereinbarung mit dem örtlichen Betriebsrat für 86 Filialen in Teilen Baden-Württembergs und Bayerns. Damit weicht die lokale Regelung von der Vereinbarung mit dem Gesamtbetriebsrat ab, die unabhängig vom Klima auf die kompletten Unternehmensbekleidung aus Hemd, Hose und Krawatte setzt.

Vor dem Arbeitsgericht konnte sich die Postbank mit ihrer Rechtsauffassung noch durchsetzen, dass der Gesamtbetriebsrat die Zuständigkeit habe. Das LAG Stuttgart (Az. 4 TaBV 2/15) dagegen kassierte das Urteil ein, denn dem örtlichem Betriebsrat stehe Regelungszuständigkeit für Fragen des Gesundheitsschutzes zu.

Fall 4: Altweiber als riskantes Zeitfenster für beide Seiten

Immer wieder ein Streitfall: die rheinische Tradition des Krawatteabschneidens. In aller Kürze: Nur bei Einwilligung des Krawatten­eigentümers bleibt die Schadens­ersatzpflicht aus. Bereits 1988 urteilte das AG Essen (Az. 20 C 691/87), dass das Opfer trotz angelegter Krawatte und allgemeiner Gepflogenheit an Weiberfast kein Mitverschulden trage. Denn zumindest im Essener Raum beschränke sich dieser Brauch auf Kollegen oder Bekannte, nicht jedoch gänzlich Fremde (wie den Kläger).

Gänzlich eskaliert ist ein solcher Fall vor einem Jahr in Düsseldorf, als sich ein als Al Capone verkleideter schwerbehinderter Mitarbeiter so bedrängt fühlte, dass er einem Clown ein Bierglas in Gesicht stieß. Nach Rücksprache mit dem Integrationsamt und dem Betriebsamt folgte die fristlose Kündigung. Die Klage dagegen wurde ebenso wie die Berufung vor dem LAG Düsseldorf (Dezember 2015, Az.: 13 Sa 957/15) abgewiesen.

Fall 5: Krawattenfreiheit für Staatsgäste

Im eigentlichen Sinn kein juristisches Urteil, aber ein politisches: „Ich verlange auch nicht, dass er eine Krawatte anzieht“, so Volker Kauder, Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, im Interview mit der Frankfurter Rundschau. Gemeint war damit der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras, der sich vor rund einem Jahr mit der deutschen Regierung getroffen hatte.

Bislang ist im europäischen Politikbetrieb die Krawatte der offizielle Dresscode bei offiziellen Anlässen. Die erste Ausnahme von dieser Regel wurde die Anfang 2015 gewählte griechische Regierung um Tsipras, die mehrheitlich keine Krawatte anlegte.

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