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Gastbeitrag: Schmerzensgeld und Schadensersatz nach Behandlungsfehlern oder Unfällen

08:11

Anstatt verschiedene Aspekte einer Verrechnungsstelle für Anwälte zu beleuchten (oder leichte Themen wie twitternde Anwälte bzw. Genussmittel wie Gin), bewegen wir uns heute auf einem ganz anderen juristischen Themenfeld: den Ansprüchen von Geschädigten nach Unfällen oder Behandlungsfehlern. Autor ist ein ausgewiesener Experte.

Von gesundheitlichen Sorgen zu finanziellen

Wer aufgrund eines unverschuldeten Unfalls schwerste Verletzungen erlitten hat oder nach einem ärztlichen Behandlungsfehler unter gravierenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen leidet, ist meist erheblich traumatisiert und nahezu gänzlich aus dem gewohnten Leben herausgerissen.

Das betrifft nicht nur den Geschädigten selbst, sondern in weiten Teilen auch das gesamte familiäre sowie berufliche Umfeld.

Neben den Sorgen um die gesundheitliche Entwicklung spielt auch die Angst vor der finanziellen Zukunft eine große Rolle. Den Geschädigten ist die Auseinandersetzung mit der gegnerischen Haftpflichtversicherung über die ihnen zustehenden Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche aufgrund ihrer gesundheitlichen Situation oft kaum möglich. Zudem verfügen sie nicht über die entsprechenden Kenntnisse.

Um es deutlich auszusprechen: Von „Rechtsanwalt Dr. Google“ ist an dieser Stelle abzuraten (dazu gleich mehr).

Anwalt ist gut, spezialisierter Anwalt ist besser

Bei schweren und schwersten Personenschäden ist die Unterstützung durch einen hochspezialisierten Anwalt unumgänglich, um nicht zu sagen lebensnotwendig. Er verfügt über das nötige Know-how, um die verschiedenen Aspekte zu einem realistischen Bild der Situation zusammenzufügen und die für den Geschädigten optimalen Ergebnisse zu erzielen. Selbst vermeintlich kleinere Unfälle können sich im weiteren Verlauf zu erheblichen Personengroßschäden entwickeln.

In solchen Fällen empfehlen verantwortungsvolle nicht spezialisierte Anwälte ihren Mandanten auch aus haftungsrechtlichen Gründen, sich an einen spezialisierten Kollegen zu wenden. Diesen Anwältinnen und Anwälten ist großer Dank auszusprechen, denn sie zeigen, dass sie für den Mandanten handeln und die Situation richtig einschätzen.

Der Spezialist kennt die einzelnen Schadenersatzpositionen und er weiß, wie diese geltend zu machen sind. Das ist vor allem deshalb so wichtig, weil bei einer häufig angestrebten, abschließenden Regulierung aller Schadensersatzansprüche auch die aufgrund der Schadensfolgen zu erwartenden Zukunftsrisiken durch einen sogenannten Vorbehalt oder einen finanziellen Ausgleich mitbedacht werden müssen. Wurde jemand z.B. am Fuß verletzt, ist bei der Bewertung der Schadensersatzansprüche auf jeden Fall zu bedenken, dass diese Fußverletzung in 10 oder 20 Jahren möglicherweise zu einer Versteifung oder sogar Amputation führen kann.

Schmerzensgeldtabellen – Fluch oder Segen?

Die meisten Menschen googeln nach einer Verletzung den Begriff „Schmerzensgeld“. Darin sehen Laien den Großteil ihrer Ansprüche abgedeckt. Doch das ein Trugschluss. Natürlich ist das Schmerzensgeld als Entschädigung für die immateriellen Schäden wie beispielsweise verlorene Lebensqualität und Lebensfreude sehr wichtig. Zwar kann auch ein noch so hohes Schmerzensgeld die Gesundheit nicht zurückbringen, doch verbessert es die wirtschaftliche Situation deutlich.

Der Anspruch auf Schmerzensgeld wird jedoch in den seltensten Fällen wirklich korrekt dargestellt. Was ist ein angemessener Betrag für jemanden, der nach einem Unfall querschnittgelähmt im Rollstuhl sitzt oder im Wachkoma liegt, der nach einer fehlerhaften Behandlung mit schwersten gesundheitlichen Folgeschäden leben muss? Für solche Schicksalsschläge kann kein Schmerzensgeldbetrag „angemessen“ sein.

Schmerzensgeldtabellen sind nach unserer festen Überzeugung eines der ungeeignetsten Mittel, Schmerzensgeldansprüche zu ermitteln. Kein Fall ist wie ein anderer. Stets müssen alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden. Zudem werden in Schmerzensgeldtabellen nur Urteile und keine Vergleiche berücksichtigt. Dabei werden in außergerichtlichen Vergleichsverhandlungen meist wesentlich höhere Schmerzensgelder erzielt. Alleine dieses Thema würde ein ganzes Buch füllen.

Weitere Schadensersatzansprüche

Der Anspruch aus Personenschäden hängt stets auch mit anderen Schadenersatzansprüchen zusammen, die erstaunlich oft nicht berücksichtigt werden. Dazu gehören Pflege- und Betreuungskosten, besondere Aufwendungen, Haushaltsführungsschaden, Verdienstausfall und vermehrte Bedürfnisse. Nicht selten machen diese Schadenspositionen einen sehr hohen, manchmal siebenstelligen Betrag aus, vor allem dann, wenn ein Dauerschaden eingetreten ist und z.B. der Verdienstausfall bis zum Rentenalter und Haushaltsführungsschaden oder Betreuungskosten lebenslang gezahlt werden müssen.

Verhandlungen mit Haftpflichtversicherern haben in der Regel das Ziel, einen Abfindungsvergleich herbeiführen. Das bedeutet, der Geschädigte erhält eine Einmalzahlung, die alle Schäden aus der Vergangenheit und für die Zukunft berücksichtigt Es handelt sich dabei nicht nur um eine simple Addition der Schadenspositionen, sondern um eine sehr komplizierte Berechnung, bei der auch die Verzinsung eine wichtige Rolle spielt. Setzt man hier nur ein Prozent zu wenig an, kann dies die Ansprüche um mehrere zigtausend Euro reduzieren.
Gerade in der nun schon mehr als 15 Jahre andauernden absoluten Niedrigzinsphase neigen Versicherer dazu, solche Beträge mit 5 % abzuzinsen, obwohl max. 2 bis 3 % der Realität entsprechen.

Hilfe durch Reha-Management

In den meisten Fällen geht es um die finanzielle Absicherung des Geschädigten für die weitere Zukunft und um die Absicherung seiner Familie. Doch auch in der Akutphase ist es wichtig, mit den Versicherern in geeigneter Form zusammenzuarbeiten, z.B. im Bereich Reha-Management. Es umfasst sowohl die medizinische als auch die berufliche Rehabilitation, die schwer geschädigten Unfallopfern dabei hilft, im Alltag und Berufsleben wieder Fuß zu fassen. Die hinter dem Unfallverursacher stehende Haftpflichtversicherung ist in der Regel bereit, die Kosten zu übernehmen, nicht zuletzt auch deshalb, weil sie sich eine schnellere Genesung des Geschädigte verspricht. In der Praxis zeigt es sich immer wieder, dass das von den Versicherern angebotene Reha-Management für alle Beteiligten hilfreich und von großem Nutzen ist.

Fazit

Wenn Sie selbst Opfer eines Unfalls oder Behandlungsfehlers geworden sind, raten wir Ihnen, unbedingt den Rat eines spezialisierten Anwalts einzuholen. Er verfügt über die notwendigen Kenntnisse im Schadensersatzrecht und klärt über alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten auf.

Zum Autor

Rechtsanwalt Thomas Gfrörer ist Partner bei Quirmbach & Partner in Montabaur. Die Kanzlei ist seit über 30 Jahren auf die Bereiche Personenschäden nach Unfällen, Arzthaftungsrecht und Medizinrecht spezialisiert; aktuell sind dort 13 Rechtsanwälte tätig. Mehr unter www.ihr-anwalt.com.