Fundstück: Handwerkliche Haftsachen aus Bayern
29.03.2017 08:20 KolumneBayerische Justizvollzugsanstalten haben durchaus eine Geschichte, wenn es um Häftlinge und deren Beschäftigung geht. Werden dabei hoch- bis höchstpreisige Produkte hergestellt… führt eine solche Geschichte aus der niederbayerischen Provinz zu bundesweitem Rauschen im Blätterwald. Es geht aber auch anders.
Modelle als Nischenmarkt
Gut versteckt in den Nischen der Gesellschaft gedeihen so manche Märkte, von denen Außenstehende oftmals nicht den Hauch einer Ahnung haben. Kleine Modelle von großen technischen Gegenständen gehören dazu. Für bastelfreudige und geduldige Menschen mit ruhiger Hand gibt es Selbstbausätze von Herstellern wie beispielsweise Revell, Bahnfreunde greifen auf Modelle u.a. von Märklin zurück. Einfacher geht es mit fertigen Sammlermodellen von einem von dutzenden Hersteller, die beispielsweise historische Busse im Kleinstformat nachbauen und mit der original Werbung aus dieser Zeit bekleben. Oder man wendet sich an die bekannten Automarken, die in ihren Online-Shops die oftmals das eigene Portfolio als Modelle feilbieten. Preislich könnte der Nachwuchs hier schon ein erstes Traumauto selbst kaufen.
Kommerziell aus der Haftanstalt
Anders sieht es bei einem absoluten Nischenspezialisten aus Niederbayern aus. Denn für Nachbauten von Mercedes-Benz-Cabriolets, „die ihren Vorbildern in nichts nachstehen“ (so die Welt in einem Artikel vom 1. September 2014), wurde ein Serienpreis von 15.000 EUR aufgerufen.
Ein „Geschmäckle“ hatte die Sache allerdings durch die Rahmenbedingungen, rauschte es im Sommer 2014 durch den Blätterwald: Die Minifahrzeuge wurden von bzw. unter der Leitung eines handwerklich hochbegabten Dreifachmörders in den Maßregelvollzugsanstalten Ansbach bzw. Straubing gebaut. Und an der Gesellschaft, die als Auftraggeber bzw. Verkäufer agierte, war der Arzt der zuständigen Psychiatrie beteiligt.
Die Presse (und ebenso die politische Opposition) war sich einig: In diesem Fall überwiege das unternehmerische Interesse den therapeutischen Effekt – auch, weil die Entlohnung (zumindest am Anfang) nicht in Relation zum Verkaufswert stand.
Offiziell: „Haftsache“ als Beitrag zur Resozialisierung
Anders dagegen die Maßnahmen mit dem Label „Haftsache“ (www.haftsache.de): Hier handeln die Arbeitsbetriebe bayerischer Justizvollzugsanstalten in offizieller Sache. In den jeweiligen Werkstätten werden individuelle Gebrauchsgegenstände für den Alltag handwerklich hergestellt. Die Spanne reicht von Tabletthüllen über Holzspielzeuge und Bratpfannen bis hin zu Möbeln aus Eichenholz. Die Produktideen stammen entweder von kreativen Häftlingen oder von Studenten der TU München.
Im Gegensatz zu den Modellautos aus Niederbayern erzielen die Produkte damit mehrere Effekte: Die Häftlinge werden mit ihrer Arbeit auf die Rückkehr in die Gesellschaft vorbereitet; die Käufer leisten einen Beitrag zur Wiedereingliederung und erwerben Gegenstände mit echtem Nutzwert; angehende Akademiker entwerfen Designs nicht nur für den Professor, sondern für den Markt.
Und statt eines „Rauschens im Blätterwald“ gibt es bei der Berichterstattung daher nur freundliche Worte.