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Eine (un-)endliche Anwaltsgeschichte: beA, BRAK und Berlin (UPDATE 31.8.16)

08:28

Streng genommen gibt es nur eine Unendliche Geschichte mit Happy End – die von Michael Ende. Die wurde aber auch von einem Bayern in Italien geschrieben. Weil die BRAK aber in Berlin sitzt, wo man sich mit unendlichen Geschichten wie dem Flughafen BER auskennt, mäanderte bislang auch das beA eher ziellos durch die Gegend. Allerdings zeichnet sich langsam ein Ende ab. Die Frage ist nur: Happy End oder Scary End?

Futur III für Berliner Projekte

„Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende“ gehört zu den klassischen Bonmots und hat als frommer Wunsch durchaus einen plausiblen Kern. Beispiel gefällig? Der neue Berliner Flughafen BER: Dessen Fertigstellung hat sich bereits so lange verzögert, dass bereits wirklich alle Witze darüber gemacht sind. Wer es nicht glauben will, sollte sich mal den Postillon-Artikel „Neue Zeitform Futur III eingeführt, um Gespräche über Flughafen BER zu ermöglichen“ anschauen. Der Text hat vor knapp zwei Wochen seinen mittlerweile vierten (!) Geburtstag gefeiert. Bei BER hat der Schrecken noch kein absehbares Ende, denn selbst weit in der Zukunft liegende Eröffnungstermine wurden bereits verschoben.

Etwas anders sieht das mit einem weiteren Großprojekt aus Berlin aus, das zwar nicht in den Händen der öffentlichen Hand liegt, wohl aber in den Händen einer Körperschaft des öffentlichen Rechts: das „besondere elektronische Anwaltspostfach“ alias beA. Im weiteren Sinn beschäftigt der elektronische Rechtsverkehr die Anwälte schon seit mehr als einem Jahrzehnt, im engeren Sinne aber erst in diesem Jahrzehnt. Und trotz mehrfacher Verschiebungen und neuer Hürden ist mittlerweile der Start abehbar, wenn auch anders als geplant. Aber eins nach dem anderen.

Urschleim, Zeitsprung, Chaos als Vision

Um mal kurz im Urschleim zu wühlen: Gelegt wurde der Samen für beA im Jahr 2001 mit dem Zustellungsreformgesetz vom 25. Juni und dem Formvorschriftenanpassungsgesetz vom 13. Juli, die die Schriftform um eine elektronische Form ergänzten.

Zeitsprung: Zwölf Jahre später wurde die BRAK mit zwei ergänzenden und drei neuen §§ in der BRAO verpflichtet, für jeden hiesigen zugelassenen Rechtsanwalt für die Dauer seiner Zulassung ein beA einzurichten.

Chaos als Vision: Während die Optimisten guter Hofffnung waren, dass das schon innert der gesetzlichen Frist klappen werde, hatten die Realisten (speziell Kollegen aus der freien Wirtschaft) die handelnden Akteure im Blick – den Gesetzgeber und eine juristische Person des öffentlichen Rechts auf der einen Seite und stets streitlustige Volljuristen auf der anderen Seite. Anders formuliert: Falls die einen nicht schon über die eigenen Beine stolpern (beispielsweise im Projektmanagement), werfen die anderen ganz sicher Stöcke zwischen die Beine.

Es kam, wie es kommen musste…

Klassischerweise werden Projekte mit den drei Variablen Qualität, Zeit und Preis definiert. In einen sauren Apfel muss man dabei immer beißen:

  • Wenn es gut und schnell gehen soll, wird es teuer.
  • Wenn es gut und günstig sein soll, dauert es lange.
  • Wenn es schnell und günstig sein soll, wird es schlecht.

Von außen kann man nur Mutmaßungen anstellen, wie die BRAK das Projekt steuert. Aber wenn Ende November 2015, gerade einmal fünf Wochen vor dem avisierten Start eine Pressemitteilung kommt, dass ein zweijähriger Vorlauf nicht ausreicht, die „hohen Erwartungen, die sich die Kammer selbst gestellt hat“, zu erfüllen, dann hat es sehr deutlich bei den Variablen gehakt. Daher wurde die beA-Einführung „vorerst auf noch unbestimmte Zeit verschoben“, um die „bisher nicht ausreichende Qualität des beA in Bezug auf die Nutzerfreundlichkeit“ in den Griff zu bekommen.

Auftritt der streitlustigen Volljuristen

Eine Atempause – hinter vorgehaltener Hand auch: Galgenfrist – hat das Projekt im Sommer von zwei Kollegen bekommen. Die haben vor dem Anwaltsgerichtshof Berlin in Berlin gegen beA interveniert und das mit freundlicher Unterstützung durch handwerkliche Fehler des Gesetzgebers. Bei einem anderen Wortlaut hätte die Klage ins Leere laufen können. Aber aus der Formulierung

„Die Bundesrechtsanwaltskammer richtet für jedes im Gesamtverzeichnis eingetragene Mitglied einer Rechtsanwaltskammer ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach ein.“ (§ 31a Abs. 1 Satz 1 BRAO)

konnte der II. Senat des AGH nur den Schluss ziehen:

„Eine Befugnis […], alle Rechtsanwälte faktisch zu zwingen, […das beA…] zu nutzen, folgt nicht aus § 31 BRAO.“ (AGH Berlin, Beschluss vom 06.06.2016, Az. II AGH 16/15)

Vielleicht ist der Gesetzgeber, der selbst mit ausreichend Juristen gespickt ist, davon ausgegangen, dass das Geschriebene und das Gemeinte identisch sind. Oder er hat die Formulierung mit voller Absicht gewählt, damit die Zunft sich mit sich selbst beschäftigt. In beiden Fällen kein schöner Gedanke.

Den Lösungsvorschlag des AGH, doch über eine Art Opt-in-Regelung die selektive Nutzung zu erlauben, geht auch nicht. Das System sei nicht dafür angelegt worden und Änderungen würden zu tief in die Sicherheitsarchitektur eingreifen, so die BRAK.

Das (vorläufige) Ende mit Schrecken naht

Trotz der Mitteilung von Ende November, trotz des Gerichtsurteils und trotz der BRAK-Reaktion auf letzteres geht es jetzt ziemlich schnell. In den aktuellen BRAK Mitteilungen 4/2016 sagt Ekkehart Schäfer in den Akzenten zuversichtlich: „Das beA ist startklar“ und ein Vierseiter in der Mitte des BRAK Magazins klärt über die Nutzung auf.

Woher die Zuversicht kommt? Vom Bundesjustizministerium, das mittels einer Rechtsverordnung den Start zum 29.09. möglich machen will. Die besondere Pointe daran: Das beA wird zwar weiterhin für alle Anwälte zur Verfügung gestellt, im Rahmen einer Übergangsphase wird es bis 31. Dezember 2017 keine Nutzungspflicht geben. Wer das beA dennoch für die rechtswirksame Zustellung nutzen möchte, muss auf seiner Website oder auf dem Briefkopf ausdrücklich seine Zustimmung erklären.

Formal damit dem bisherigen Wortlaut genüge getan: Die BRAK hat das beA eingerichtet und der elektronische Rechtsverkehr kann technisch abgewickelt werden. Eine flächendeckende Nutzung ist erst einmal nicht absehbar.

Die Frage, die sich stellt: Ist die gewählte Lösung salomonisch oder doch kafkaesk?

— Update 31. August 2016

Neuigkeiten im eigentlichen Sinn haben wir nicht. Aber Rechtsanwalt Hänsch hat einen praktischen Leitfaden erstellt, wie er die beA-Signaturkarte aktiviert hat, obwohl seine DATEV-Software den dafür notwendigen Port in Anspruch nimmt. Den ganzen Text finden Sie hier.