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Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen willkürliche Nichtzulassung einer Berufung

14:45

Manche Versicherungen spielen gerne mit harten Bandagen, wenn es um die berechtigten Honorarforderungen von Freiberuflern geht. Wer da keinen fachlich versierten Anwalt hat, steht schnell auf verlorenem Posten. Dies gilt erst recht, wenn das Amtsgericht eine Berufung nicht zulässt. Frei nach dem Motto „Aufgeben gilt nicht“ ging es halt nach Karlsruhe.

Kundenauftrag: dagegen halten

So wie wir von der AnwVS auf anwaltliche Honorarforderungen spezialisiert sind, konzentrieren sich unsere Kollegen von der KfzVS, Sie ahnen es schon, auf die Freiberufler in der Kfz-Branche. Konkret: die Sachverständigen. In einem Punkt unterscheidet sich die Arbeit aber deutlich von unserer: Während wir einen ausgeglichenen Mix bei den Debitoren haben – bei Themen wie Arbeitsrecht bevorzugt Versicherungen, ansonsten gewerbliche  und private Mandanten –, stehen bei der KfzVS für den Ausgleich der Rechnungen fast immer Versicherungen ein.

Die schauen natürlich auch gerne, wo sie Rechnungen kürzen oder komplett verwerfen können, um die eigenen Kosten zu reduzieren. Und die Kollegen halten wacker dagegen, schließlich ist das deren Auftrag. (Anmerkung: Wir machen das auch. Wir werden nur nicht so häufig dazu gezwungen.)

Im Regelfall wird so etwas auf Ebene der Amtsgerichte geklärt, bei Bedarf geht es aber gerne immer eine Stufe weiter. Nur in dem Fall mit der Abtretungserklärung, deren Wirksamkeit unter dem Gesichtspunkt der hinreichenden Bestimmtheit abgestritten wurde, war das nicht möglich. Warum? Weil die Richterin des entsprechenden Amtsgerichts die Berufung gegen ihr Urteil nicht zugelassen hat.

Der Sachverhalt: Berufung gibt’s nicht

Um den Sachverhalt einzusortieren: Es ging im Ausgangsverfahren um die Erstattung von Sachverständigenkosten in Höhe von 378,71 EUR. Der Betrag selbst war unstreitig, allerdings überwies die Versicherung die Klageforderung bereits vor Anhängigkeit der Klage direkt an den Sachverständigen.

Das Amtsgericht wies die Klage ab, da den Kollegen der KfzVS angeblich die Aktivlegitimation fehle. Das ist soweit in Ordnung, mit solchen Einschätzungen muss man leben.

Es ist auch in Ordnung, dass dem AG die entgegenstehende Rechtsprechung einer Berufungskammer des LG Köln (Urteil vom 23. April 2015 – 6 S 199/14 -) bekannt ist, und es trotzdem auf einem eigenen, anderen Standpunkt beharrt.

Die höchstrichterliche Zusammenfassung des AG-Urteils durch das BVerfG liest wie folgt:

Bereits die vorangegangene Abtretung der Geschädigten an den Sachverständigen sei zu unbestimmt und daher unwirksam. In der Abtretungserklärung seien als abgetretene Forderung auch „Nebenkosten“ aufgeführt, was jedoch weder hinreichend bestimmt noch hinreichend bestimmbar sei. Die entgegenstehende Rechtsprechung einer Berufungskammer des Landgerichts Köln (Urteil vom 23. April 2015 – 6 S 199/14 -), wonach die (gleichlautende) Abtretungserklärung „hinreichend“ bestimmbar und folglich wirksam sei, überzeuge nicht. Das Landgericht gehe der aufgeworfenen Frage, was unter der Position „Nebenkosten“ überhaupt zu verstehen sei, nicht nach.

Die Berufung sei nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 511 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 ZPO nicht vorlägen.

Es ist aber nicht in Ordnung, trotz des Wissens um das Urteil der Berufungskammer, eben genau das zu verweigern: eine Berufung. Der Konter war also Anhörungsrüge.

Und das Amtsgericht? Das beharrte auf dem seinem Standpunkt und wies per Beschluss diese Rüge zurück. Damit war der Weg frei für eine Verfassungsbeschwerde und nach Karlsruhe.

Karlsruhe: verteilt eine Ohrfeige

Die Kollegen wandten sich gegen die Nichtzulassung der Berufung durch die Entscheidungen des Amtsgerichts. Sie rügten eine Verletzung des Willkürverbots aus Art. 3 Abs. 1 GG, ihrer Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG und ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG.

Während das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen in der Folge von einer Stellungnahme abgesehen hat, war die Beklagte des Ausgangsverfahrens der Ansicht, die Nichtzulassung der Berufung sei weder willkürlich noch verstoße sie gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör.

Die drei Richter der 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts waren einstimmig anderer Meinung: Den Kollegen steht das Berufungsrecht selbstredend zu. Wer sich für die sachliche Herleitung interessiert, folge dem Link: 1 BvR 345/16.

Wir zitieren lieber die Passage, in der das BVerfG ziemlich direkt den ganzen Vorfall bewertet:

Die Nichtzulassung der Berufung mit der vom Amtsgericht gegebenen Begründung erweist sich hier nicht nur als Rechtsanwendungsfehler im Einzelfall, sondern als grobe Verkennung, die zugleich auf eine generelle Vernachlässigung des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz hindeutet und auf einem geradezu leichtfertigen Umgang mit grundrechtlich geschützten Positionen beruht (vgl. BVerfGE 90, 22 <25>).

Und die Moral von der Geschicht‘?

Wie gesagt: Beim Thema Honorarrecht macht man den Teams der AnwVS und der KfzVS nichts vor. Die Sachbearbeiter in den Versicherungen, die schon häufiger Post von diesen Absendern bekommen haben, sind mit Sicherheit jedes Mal „erfreut“. Gerichte erfordern dagegen deutlich seltener weitere Reaktionen.

Aber wenn die Rechtsposition eindeutig ist, ein (Amts-)Gericht diese nicht zur Kenntnis nimmt und das Urteil gleichzeitig als letzte Instanz betrachtet… dann geht es eben direkt nach Karlsruhe.