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Nebenstrafen für alle, aber Zusatzstrafen für Rechtsanwälte?

16:26

Kurz vor Weihnachten hatte das Bundeskabinett beschlossen, ein Fahrverbot als Nebenstrafe bei allen Straftaten zu ermöglichen. Seit ein paar Tagen ist dies nun möglich. Für eine Berufsgruppe ist diese rechtliche Transferleistung von dem einen auf einen anderen Sachverhalt aber bereits Realität – Rechtsanwälte. Das Anwaltsgericht Köln hat das vor kurzem mit einer Zusatzstrafe gezeigt.

Fahrverbot als tatbestandsunabhängige Nebenstrafe

Man kann nicht von dem einen schreiben und das andere ausblenden. Also zuerst der Blick auf den Allgemeinfall: Fachlich wohl am fundiertesten kam die auf breiter Front geäußerte Kritik am Fahrverbot als Nebenstrafe vom Deutschen Anwaltverein. Zur sachlichen Einordnung muss das reichen, schließlich lesen hier bevorzugt Anwälte mit und die Pressemitteilung des DAV ist selbsterklärend.

Aber Kritik heißt ja nicht, dass man Schlüsse daraus zieht, oder? Deswegen gehen wir jetzt erst einmal kurz auf einen anderen aktuellen Schauplatz.

Wer die Diskussionen insbesondere um das Netzwerkdurchsetzungsgesetz verfolgt hat, jenes Leuchtturmprojekt, von dem faktisch alle Experten abgeraten haben und das sogar von den Vereinten Nationen kritisiert wurde… Der weiß: Sachliche Kritik kommt beim Gesetzgeber manchmal einfach nicht an.

Und so haben nach der Bundestagssitzung vom 22. Juni, als eines der größten Gesetzesreformpakete der laufenden Legislaturperiode zur Abstimmung anstand, vor allem der Bundestrojaner und die Quellen-Telekommunikationsüberwachung die Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Die tatbestandsunabhängigen Nebenstrafen ohne Verkehrsbezug fliegen dagegen bei den großen Publikumsmedien unter dem Radar. In meinen täglichen Quellen habe ich das nur bei Netzpolitik in einem Nebensatz (hier) und bei RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., in seinem Blog (hier) gefunden.

Erst die sachliche Strafe…

Für Anwälte ist das, was jetzt in Gesetzesform gegossen wurde, offensichtlich schon gültig – nur in umgekehrter Form. Auch ohne Intervention des Gesetzgebers führt dann ein verkehrsrechtliches Delikt zu berufsständischen Folgen. Wie Legal Tribune Online am 31. Mai berichtet hat, ist genau das einem Kölner Rechtsanwalt passiert. Die Kurzfassung:

  • Der Anwalt touchiert mit seinem Fahrzeug einen parkenden SUV auf eine solche Art und Weise, dass ein Sachschaden i.H.v. rund 7.500 Euro und die Alarmanlage des geparkten Autos ausgelöst werden.
  • Anstatt den rechtssicheren Weg zu gehen, geht der Kollege lieber einkaufen, nachdem er den Wagen an anderer Stelle abgestellt hat.
  • Bei der Rückkehr trifft er die SUV-Halterin, die ihn aufgrund einer Zeugenaussage erkennt und ihn mit Rufen und Gesten auf sich aufmerksam macht.
  • Anstatt die zweitbeste Lösung zu wählen und sich zu stellen, setzt der Unfallverursacher mit seinem Wagen so ungestüm zur Flucht an, dass er an einer Betonsäule noch seinen Außenspiegel verliert.

Das Amtsgericht verurteilte den Rechtsanwalt wegen Unfallflucht zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen á 50 EUR, einem zweimonatigen Fahrverbot und selbstredend zur Übernahme der Reparaturkosten.

…und Zusatzstrafe für Anwälte

Großzügigerweise bejahte die Staatsanwaltschaft zudem einen berufsrechtlichen Überhang – und weil die RAK Köln Bedarf sah, leitete sie ein Verfahren vor dem AnwG ein. Das addierte zum Strafmaß weitere 500 EUR, weil es die Sanktion des Amtsgericht für nicht ausreichend hielt (Az. 1 AnwG 40/16, Urteil vom 20.3.2017).

Begründung: Ein Rechtsanwalt habe sich „innerhalb und außerhalb seines Berufes der Achtung und des Vertrauens, welche seine Stellung erfordert, würdig zu erweisen“, schreibt LTO. Es komme zwar auf den Einzelfall an, aber eine rechtswidrige Tat außerhalb der beruflichen Tätigkeit sei zu ahnden, wenn „Achtung und Vertrauen der Rechtssuchenden“ beeinträchtigt werden.

Das kann man so sehen, das kann man aber auch anders sehen. Deswegen gibt es morgen im Blog ein Pro & Contra zu diesem Fall.