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Gin und Marketing – beim Trend zählt die Story

11:46

Nach der rechtlichen Einordnung von Gin geht es im zweiten Teil nun lockerer zu. Schließlich ist Marketing eine Teildisziplin der Betriebswirtschaft, welche wiederum Teil der Sozialwissenschaft ist und damit – im Gegensatz zur Jurisprudenz – nur eine „Geschwätzwissenschaft“.

Keine Geschichte vorhanden? Dann braucht es Marketing!

Wie wir im vorhergehenden Beitrag schon skizziert haben, wird Gin wahlweise durch schlichtes Aufwerten von Ethylakohol hergestellt oder destilliert. Letzteres ist zwar arbeitsintensiver, doch unter dem Strich bleibt Gin speziell im Vergleich zu Whisk(e)y eine günstige Spirituose in der Herstellung – schließlich lautet eine bekannte Formel „Zeit ist Geld“ und Whisk(e)y muss lagern, Gin nicht. Im Preis spiegelt sich das oft nicht wider, was (wenn überhaupt) mit den Zutaten oder der Handarbeit beim Destillieren begründet wird, oft genug aber auch mit der aufwendigen Verpackung zusammenhängt.

Die Notwendigkeit für das Letztgenannte zeigt sich auch daran, dass in den letzten fünf Jahren zahlreiche Unternehmen bzw. Marken wie die vielzitierten Pilze aus dem Boden geschossen sind. Neben Newcomern, die explizit nur für ein Produkt gegründet wurden, sind dabei auch alte Brenner aus ganz anderen Sprituosensegmenten auf diesen Zug aufgesprungen. Wenn also die Historie nicht oder nur teilweise herangezogen werden kann, müssen andere Marketingargumente in den Ring steigen. Wagen wir also einen Blick auf die Verkaufsversprechen.

Vom Alien bis zum Windspiel (dem Hund)

Auf die Klassiker bzw. großen Marken in den Feinkost- und Supermarktregalen – darunter Bombay, Botanist, Gordon’s, Hendrick’s, Monkey 47 (seit 2008, der hiesige Impulsgeber für den Trend) oder Tanqueray – wollen wir hier verzichten. Stattdessen folgt hier eine völlig willkürliche Auswahl deutscher Gins, die vor allem auf eigenen Verkostungserlebnissen basiert.

Städte und Regionen als Argument

Jeder der nachfolgenden Gins ließe sich auch anders einsortieren, z.B. hinsichtlich der Botanicals (eher Kräuter oder eher Früchte) oder der Zutaten (biologisch, konventionell, vegan, …). Wir haben uns hier entschieden, erst einmal die zu nennen, die schon im Namen die Regionalkarte spielen:

  • Cucumberland Hannover Dry Gin (43% vol) – Erstprodukt der Mobaja Distillers aus Hannover; setzt voll auf Regionalisierung: soll auf die britischen Könige zurückgehen, die aus Hannover stammen und den Titel „Herzog von Cumberland“ trugen, die (hauptsächlich nachhaltigen) Botanicals sollen aus der Region Hannover stammen, explizit Holunderblüten aus den Leineauen und Fichtensprossen aus dem Deisterwald
  • Feel! Munich Dry Gin (47% vol) – von Korbinian Achternbusch aus München; positioniert sich über handgemacht, fair und nachhaltig (alle Früchte und Gewürze stammen aus kontrolliert biologischem Anbau) sowie das Etikett „vegan“; die Flasche erinnert optisch an moderen „Premium“-Wasserflaschen
  • FREEsia Gin (40% vol) – von der  I.W. Wolff Spirituosenfabrik aus Leer, die offensichtliche Anspielung an Friesland im Markennamen zeigt sich auch im „Destillat aus ostfriesischem Tee“, der dem Gin eine eigene Note gibt
  • Granit Bavarian Gin (42% vol): von Penninger aus Hauzenberg; ein kleiner Granitstein hängt an der Flasche und hat eine Doppelfunktion – er soll auf das Filterverfahren verweisen und aus dem Tiefkühler ein Ersatz für Eiswürfel sein, die den Gin verwässern
  • Siegfried Rheinland Dry Gin (41% vol): von den Rheinland Distillers aus Bonn; greift im Namen und in den Botanicals die Nibelungen-Sage auf – statt Lindenblatt ist hier die Lindenblüte das (geschmackliche) Leitmotiv; mehrfach (international) ausgezeichnet
  • The Duke Munich Dry Gin (45% vol): ähnlich alt wie Monkey 47, setzte deutlich vor Feel! bereits auf Kräuter und Gewürze aus „rein biologischem Anbau“; der Untertitel „Munich Dry Gin“ (speziell in Verbindung mit den bayerischen Rauten) verwies explizit auf die ursprüngliche Herkunft in der Münchner Innenstadt (mittlerweile in Aschheim bei München domiziliert)

Geschichte, Verpackung und/oder Zutaten

Wie die Überschrift schon andeutet, stehen in dieser Sammelkategorie andere Argumente im Vordergrund:

  • Allie Gin (46% vol) – von Neper Spirits aus Allensbach; einer der wenigen Gins, der alle (in diesem Fall 24) Botanicals verrät, darunter u.a.Cubeben, Galgantwurzel, Tausendgüldenkraut und Zitwerwurzel; das zentrale Markeringargument ist aber sicherlich die Individualflasche in Form eines Alienkopfs
  • Bergbrenner Gin (43% vol) – von der Enzianbrennerei Grassl in Berchtesgaden; spielt die Alterskarte (destilliert in den „älteste Bergbrennerei der bayerischen Alpen“, „nach dem ältesten noch bestehenden Wacholderbrennrecht Bayerns“)  und die Natur- bzw. Traditionskarte („traditionelle Hütten“, „auf Holzfeuer“, „vom Geist der Berge geprägt“)
  • Henderson Gin (40% vol): von der Edeka-Handelsmarke Euco; da ein solcher Gin kein glaubwürdige Gründergeschichte entwickeln kann, konzentriert sich das Marketing auf die Verpackung (eine runde, blaue Individualflasche mit teilweise halbseitig umlaufenden Direktdruck und einem Stopfen statt eines günstigeren Schraubverschlusses) und ein Testimonial (den Barkeeper Uwe Christiansen)
  • Madame Geneva Gin Rouge (41% vol): nach Eigenaussage der der erste und einzige Gin mit 46 (!) Botanicals und einem Anteil Rotwein; die schwarze Flasche wirkt wie eine schwere, schwarze Weinflasche
  • Skin Gin (42% vol): von der gleichnamigen GmbH aus Steinkirchen; auf den ersten Blick sticht insbesondere die Verpackung ins Auge – jede Flasche hat eine Ummantelung in Lederoptik; setzt geschmacklich auf Minze, Koriander und Zitrusfrüchte
  • Windspiel Premium Dry Gin (47% vol) – von der Eifelion GmbH aus der Vulkaneifel, wird hergestellt aus einer Maische regionaler Kartoffeln, enthält als definierende Botanicals u.a. Zimtrinde und Lavendel; zur Abrundung gibt es ein eigens kreiertes Tonic Water und Trüffelpralinen auf Ginbasis

Ausblick:

Da wir hier gerade irgendwie Spaß an der Materie gefunden haben, folgen perspektivisch noch ein Blick auf internationale Gin-Spezialitäten und auf Infoquellen, dazu haben wir noch einen Beitrag zur Verkostung geplant…

Falls jemand einen Gin vermisst oder empfehlen möchte: Wir freuen uns über Anregungen in den Kommentaren.

Anmerkung: Dieser Beitrag entstand ohne Unterstützung der genannten oder abgebildeten Marken.